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Mein Mann ist noch in der Kirche. Er wurde getauft und ist dadurch, ohne jemals irgendein gesteigertes oder auch ungesteigertes Interesse an der Kirche zu haben, automatisch zum Kirchsteuerzahler geworden.
Ich wurde nicht getauft und danke dafür meinen Eltern von Herzen. Meine Abneigung gegen die Institution Kirche ist alt und sitzt tief und speist sich aus mehreren, sehr unterschiedlichen (und sehr unterschiedlich rationalen) Quellen. Mein durchaus vorhandenes Bedürfnis nach verbindlicher sowie unverbindlicher Nächstenliebe stille ich mit Freuden und reichlich auf anderen Wegen.
Mein Mann ist nicht ausgetreten. Weil er dafür persönlich auf dem Standesamt erscheinen muss. Weil es eine Gebühr kostet. Weil die Kirche hier und da ja auch mal was Nettes macht, wie er findet. Ich finde, dass das Nette mitunter von anderem so ein ganz klein wenig überschattet wird, aber es ist seine Sache, und ich mische mich da nicht ein. Geht mich nämlich gar nix an, fand ich bis gestern Abend.
So hätten wir vermutlich ewig weitergemacht.
Nu hab ich 2016 und 2017 viel gearbeitet, und mein Verdienst ist erheblich gestiegen. Ich verdiene momentan deutlich mehr als mein Mann. Wir sind sehr vergnügt und dankbar und so weiter, und gestern kam dann der Steuerbescheid.
Wir müssen Kirchensteuer nachzahlen. Weil wir Zusammenveranlagung gewählt haben und sich das nicht einfach auf die Höhe seiner Kirchensteuer auswirkt, was ich schon scheißdreist genug fände – o nein. Ich habe einen Bescheid über die zu leistenden Steuervorauszahlungen für 2018 bekommen. Und darin ist die explizit von mir zu leistende Kirchensteuer für 2018 aufgeführt. Das ist nur der Fall, wenn der konfessionslose Partner mehr verdient als der andere – verdienen beide gleich viel, oder verdient der konfessionslose Part weniger, passiert das nicht.
Ich, ungetauft und glücklich konfessionslos, soll also Kirchensteuer zahlen.
Aha. (Hier stand statt „Aha“ ursprünglich eine ausgesuchte Auswahl erlesenster Unflätigkeiten, die ich jedoch mit Rücksicht auf das möglicherweise feinsinnigere Gemüt des einen oder anderen Lesers, der eine obszönitätenvegane Ernährung bevorzugt, wieder in das finstere Munkeldunkel meiner kleinen Heidenseele zurückgestopft habe.)
So. Wo war ich? Ach ja: Ich soll also Kirchensteuer zahlen. Für 2018 tu ich das ganz sicher nicht: Mein Mann tritt nächste Woche aus. Er muss sich dafür den Vormittag freinehmen, denn die Zeiten auf dem Standesamt sind alles andere als arbeitnehmerfreundlich, es kostet 31 Euro, er muss persönlich erscheinen. Schriftlich geht nicht, weil. Ja, warum eigentlich? Glaubt irgendwer, dass jemand beispielsweise einen unliebsamen Bekannten heimlich austreten lässt, mit gefälschtem Schreiben, um den zu ärgern? Nee, dafür gibt es genau einen Grund: Würde es schriftlich gehen, wäre mein Mann womöglich längst ausgetreten. Wie viele andere auch. Es ist eine gezielt installierte Hürde, um faule Schäfchen abzuschrecken. Ebenso wie die 31 Euro Bearbeitungsgebühr, die erhoben werden – für den Austritt aus einem Verein, in den die meisten Leute nicht selbst eingetreten sind, sondern gewissermaßen eingetreten wurden. Diese Bearbeitungsgebühr ist allein der absichtlichen Austrittshürde des persönlichen Erscheinens geschuldet.
Dagegen, dass rückwirkend für zwei Jahre von mir Kirchensteuer erhoben wird, kann ich nichts tun. Aber, liebe Kirche: Eure Raubrittermethoden kosten euch in unserem Fall mehr, als sie euch einbringen. Mein Mann hätte noch viele, viele Jahre Kirchensteuer gezahlt, und zumindest auf dem Papier hättet ihr ein Mitglied mehr gehabt, was angesichts der stetig sinkenden Mitgliederzahlen ja womöglich auch nicht nichts ist. So bekommt ihr für zwei Jahre von jemandem, der mit euch nichts zu tun haben will, Geld. Und danach gar nichts mehr, minus ein Mitglied. Und das ist gar kein Einzelfall, vermute ich, jedenfalls sagte gestern eine Freundin, genau aus diesem Grunde – damit ihr konfessionsloser Mann nicht gegen seinen Willen zur Zahlung von Kirchensteuer genötigt wird – sei sie auch ausgetreten.
(Mal im Ernst – verdient ist verdient. Die Frau auf dem Amt, mit der ich eben telefoniert habe, sagte übrigens auch, ihr seid scheiße. So.)
Es geht mir nicht ums Geld. Ich würde mit Freuden stattdessen die dreifache Summe für eine Organisation meiner Wahl spenden. MEINER Wahl. Aber die Art, wie ihr die Behörden durchseucht, wie ihr euch Steuerleistungen Konfessionsloser erschleicht, indem ihr das Finanzamt für euch einspannt und zu denen gehört, die wohl am meisten von den GEZ-Gebühren profitieren … steht das so in der Bibel? Ist das durch irgendeinen Psalm gerechtfertigt? Haltet ihr das ganz ernsthaft für okay? Ist Nötigung christlich?
So. Ich glaub, ich bin fertig. Dann mal tschüs, Kirche. War total schön, dich mal wiedergesehen zu haben. Ganz kurz. Und ich freue mich über jeden, der das hier rechtzeitig liest und dann mit seinem konfessionsverschiedenen Partner noch in Ruhe überlegen und eine Wahl treffen kann, ob der kirchenangehörige Part vor der nächsten Steuererklärung aus der gemeinsam getroffenen Entscheidung heraus drinbleibt … oder lieber doch noch rasch austritt.
Unsere Entscheidung hat nicht lange gedauert.
Blödärsche. Und jaja, im Munkeldunkel gings erheblich finsterer zu, aber Miss Sophie guckt schon bei „Blödärsche“ so furchtbar streng. Sie ist ja ebenfalls nahezu konfessionslos, aber das ist überhaupt gar kein Grund, sagt sie mit gerümpfter Nase, deshalb gleich seine gute Erziehung zu vergessen.
(Blödmaus.)
Rabennest sagte:
Mmmmmmmuuuuuuuuhhhhaaaaaaaaa!!!!!!!
Selten soooooooooo gelacht!!!!!
Männchen und ich sind vor über neun Jahren auch aus VOLLSTER Überzeugung aus diesem Zwangsverein ausgetreten! Dann hat uns das sogar, zu unsere völligen Überraschung, nicht etwa die doppelte Gebühr gekostet. Nein. Da wir als Ehepaar gleichzeitig austraten durften wir weniger zahlen. Das nenne ich Service am Kunden!
HACH! (Ich wische mir gerade noch mal die Tränen aus dem Augen) lachen tut so gut. Und ist in Verbindung mit der Institution Kirche doch eher selten.
Viele Dank! Danke Kirche! Danke Finanzamt!
klippspringer sagte:
Freue mich sehr, Dich erfreut zu haben! ist ja auch irgendwie ein Akt der Nächstenliebe, wa? 😀
Umarmung!
Rabennest sagte:
So sagt es doch schon die Lehrerin der „Kinder von Bullerbü“…man soll sich immer bemühen, andere Menschen glücklich zu machen.
DU bemühst Dich nicht nur….
Stitched Teacups sagte:
Das hab ich jetzt doch direkt zum Anlass genommen, gleich mal die Öffnungszeiten zu googlen und fünf Minuten später loszustürmen. Jetzt im Moment wird der Antrag bearbeitet. Ich hatte das schon seit Jahren vor, aber irgendwie nie den Hintern hochbekommen. Danke also!
Liebste Grüße
Sabrina
klippspringer sagte:
Haha – sehr gern geschehen. Ist komisch, wie man so was jaaaahrelang vor sich herschieben kann, oder? Wir Menschen sind eine eigenartige Spezies!
Gabi sagte:
Wahre Worte, aus dem Herzchen und frei von der Leber (naja fast frei…)geschrieben 😉
…dein Beitrag ist herrlich…ich bin vor ca. 6 Jahren aus genau DIESEM Grund ausgetreten, wobei die Gebühr damals 24€ betrug…..aber wir haben ja jetzt festgestellt: das ist ein ziemlich teurer Verein, diese Kirche und so…
Viele Grüße ins Wochenende
Gabi
klippspringer sagte:
Ich glaube, über solche Praktiken ärgern sich viele Leute, die für die Kirche arbeiten, auch sehr. Das ist einfach leider nicht in Ordnung, dass sie es quasi am „Lebensstandard“ des Mitglieds bemessen und damit den Rest der Familie in Sippenhaft nehmen.
Die Gebühren sind total unterschiedlich, und auch, wie einfach es geht – ich glaube, die höchste Gebühr lag bei 60 Euro, irgendwo kostet es gar nichts, hier und da muss man das Familienstammbuch mitbringen, bei uns zum Glück nur den Perso.
Oma macht das schon sagte:
Find ich echt gut, uns zu unterrichten.
Hier bei uns in der tiefen Pfalz, kommt dann sogar noch der Herr Pfarrer höchstpersönlich vorbei, um die Schäfchen wieder zurück auf die Weide zu holen.
Hab von Bekannten gehört, die dann rückfällig wurden.
Liebe Sonntagsgrüße
Nähoma
klippspringer sagte:
Na, dann ist es bei euch ja aber immerhin irgendwie persönlich. 😉 Es soll jeder in der Kirche sein oder bleiben, der es möchte, nur diese „Zwangseintreibung“, das find ich einfach überhaupt nicht gut. Wie ich reagiert hätte, wenn der Pfarrer oder Pastor daraufhin vor der Tür gestanden hätte, weiß ich nicht, aber ich hätte, wahrscheinlich im gegensatz zu Deinen bekannten, ja auch gar nicht gewusst, wer dieser fremde Mensch vor der Tür überhaupt ist. 😉
Liebe Grüße!
Tanja im Norden sagte:
Puh. Wenn ich könnte, würde ich in dem Fall gleich nochmal austreten. Ich habe das schon getan als ich 16 war, ich kann mich nicht erinnern, dass das Geld gekostet hätte, wenn dann mit Sicherheit nicht so viel. Ich weiß aber noch, dass ich beeindruckt war, wieviele Druchschläge das Formular hatte, das der Standesbeamte ausfüllte. Den, den ich bekam hebe ich gut auf. Ob mir das damals über ein Monatstaschengeld wert gewesen wäre? Aber da ich damals noch lange nicht selbst Kirchensteuer gezahlt habe, kann ich zumindest glaubhaft versichern, dass ich nicht aus finanziellen Motiven ausgetreten bin.
klippspringer sagte:
Das scheint inzwischen viel einfacher geworden zu sein oder war es in Hamburg schon immer – der inzwischen ausgetretene Mann hat einen Durchschlag mitbekommen, und fertig, mehr Durchschläge hat er nicht gesehen.
made with Blümchen sagte:
Ich habe großen Respekt vor allen, die ihren Glauben aus tiefster Überzeugung leben, wobei mir egal ist, welcher Glaube das ist und nur solange, wie diese Gläubigen nicht glauben, alle anderen müssten dasselbe glauben wie sie. (Und das versuchen durchzusetzen, notfalls mit Feuer und Schwert.) Die Kirche ist aber tatsächlich immer noch eine Institution, die vielen Menschen sehr viel bedeutet. Ein Treffpunkt, eine Gemeinschaft, auch wenn die Gemeinschaft vielleicht zunehmend kleiner wird. Ich habe einen katholischen Onkel und eine Tante, die jeden Tag morgens gemeinsam den Rosenkranz beten, und einen Cousin, der sich mit Anfang 40 dazu entschlossen hat, umzusatteln und katholischer Priester zu werden. Ich respektiere das. Auch wenn ich selbst vor vielen Jahren (evangelisch) ausgetreten bin. Und es ebenfalls… sagen wir mal: ungeschickt finde, wie die katholische Kirche vorgeht, die Beiträge einzutreiben. Für Euch also: Glückwunsch zum Austritt! lg, Gabi
klippspringer sagte:
Ich hab auch schon gedacht – ich weiß nicht, wie ich es in einer kleinen Gemeinde halten würde, wenn ich Pfarrer/Pfarrerin oder Pastor/Pastorin kenne, da ist dann ja bei sinkender Gemeindemitgliederzahl irgendwann auch die Stelle des lokalen Hirten bedroht. Und wenn ich dann fände, dass der- oder diejenige ganz tolle Arbeit leistet und viel für den Zusammenhalt tut? Hm. Kann ich nicht beantworten.
Ich halte es seit jeher so, dass ich immer, wenn ich eine Kirche besuche (und ich mag Kirchen sehr, vor allem, wenn Orgelspieler oder Chor loslegen oder ich ganz in Ruhe gelassen werde), Geld in den Opferstock werfe, meist auch gar nicht so wenig, also früher als Studentin ab fünf Euro aufwärts, heute mehr. Weil die Kirchen zu erhalten viel Geld kostet, und wenn ich Kirchen besuche, nutze ich sie auch, dann sehe ich mich quasi in der Pflicht, eine Benutzungsgebühr zu zahlen. Nur will ich eben nicht genötigt werden, und ich will nur ganz konkret dort spenden, wo ich etwas damit zu tun habe. Also – falls das irgendeinen Sinn ergibt.
Jedenfalls stimmt mich das ganze Thema ziemlich ambivalent. Ich fänd eine Kirche, die ich wirklich gern unterstützen würde, auch wenn ich selbst nicht gläubig bin, ganz großartig, ich würde mich sehr darüber freuen. Aber das kann ich nicht, solange der Staat die Gelder einzieht, solange dieser widerliche alte Mann in Rom Abtreibung zu einem schlimmeren Verbrechen als Mord erklärt, solange … na ja. Ach, ist schwierig.Ich werde es weiterhin so halten: Besuche ich eine Kirche, und das tu ich immer mal wieder und sehr gern, dann spende ich, und wenn nicht, dann nicht.