In Schottland und Irland haust so allerlei Koboldiges und Geisterhaftes in allen Ecken und Winkeln, in Pflanzen, Stein und Gewässern. Als Kind habe ich nicht nur die klassischen Sagen verschlungen, sondern auch alle anderen Volkssagen, die ich in die Finger bekommen habe. Einige der Geschöpfe aus diesen Geschichten haben mich nie wieder losgelassen – im Fall des Kelpies, der zu den Each Uisge zählt, den Wassergeistern oder Wasserpferden, entspricht es sozusagen ganz und gar seiner Natur.

Der Kelpie (manche sagen auch „das Kelpie“, was mir aber nicht gefällt) lauert in den meisten Geschichten in Bächen und Flüssen, in einigen auch in den tiefen „Lochs“ Schottlands, den nahezu bodenlosen, kalten Seen. In manchen Geschichten bietet er einem verzagten Wanderer an, ihn über einen reißenden Strom zu tragen, wenn weit und breit keine Brücke zu sehen ist. In anderen erscheint er als wunderschönes Pferd am Ufer eines Gewässers und weckt in Menschen, die ihn sehen, das unwiderstehliche Bedürfnis, auf seinen Rücken zu steigen.
Und richtig: Das sollte man mal schön bleiben lassen.

Die Haut des Kelpies ist kalt wie ein Fisch und schleimig wie verwesende Algen. Wer auf seinem Rücken sitzt, kommt aus eigener Kraft nicht wieder hinunter.

Und dann geht er zurück ins Wasser und ertränkt seinen unvorsichtigen Reiter, ehe er ihn auffrisst. So heißt es jedenfalls. Man kann nur hoffen, dass sich die meisten Kelpies an diese Reihenfolge halten. Ist schon scheußlich genug.


Wer es schafft, dem Kelpie eine Trense anzulegen, gewinnt in ihm übrigens angeblich ein treues Reittier. Aber ganz ehrlich – bei einem Geschöpf, dessen Zähne dazu geeignet sind, einen Menschen zu verspeisen, würde ich Trense und Beine in die Hand nehmen und rennen, statt mich an derlei Unsinn zu versuchen. Zumal ich kein kaltes, schleimiges Reittier haben möchte, mag es auch so treu sein, wie es will.
Trotzdem, dennoch und wie dem auch sei – der Kelpie hat mich, ein leises Schaudern im Genick, durch meine Kindheit begleitet und bis ins Erwachsenenalter, und ab jetzt begleitet er mich auch in meiner immer volleren Stempelschublade. Ich kann nur hoffen, dass er dort niemanden reinlockt, da ist kein Platz für Knochen, nicht mal für ganz säuberlich abgenagte.
Spukt beim Creadienstag vorbei. Nicht auf seinen Rücken klettern, bitte, denkt an meine arme Schublade.