
Ganz kleine, aber wortreiche Wollkunde über drei Wollsorten, die ich sehr gern verwende, eine, die ich gar nicht mehr benutze, und eine rätselhafte, ganz neue Sorte.
(Austral)Merino: Verwende ich gar nicht (mehr), bis auf die Verwendung von letzten Resten – wenn alle, dann vorbei. Wer Grund 1 wissen will, kann einfach mal „Mulesing“ googeln – Merinowolle stammt überwiegend aus Australien/Neuseeland, und während Mulesing in Neuseeland mittlerweile gesetzlich verboten wurde (ich muss mich korrigieren: Es handelt sich wohl eher um eine Art „freiwilliges Verbot), sind sie da in Australien noch ganz am Anfang. Nur googeln, wer da nicht so empfindlich ist, ist wirklich sehr hässlich.
Grund 2: Merinowolle braucht beim Nassfilzen laaaaaange, bis sie richtig anfilzt (und noch länger, bis sie richtig ordentlich fest wird, o Gott, so, soooo lange patscht und schrubbt man da an dem Tier herum, das in mikroskopisch kleinen Schritten Substanz unter den Händen gewinnt … ächz), es ist eine zarte, feine Wolle, und sie ist recht flutschig, was beim Trockenfilzen ein bisschen nervt. Dafür ist sie weich und fein und schön, man hat nicht mit widerspenstigen Grannenhaaren zu tun wie bei vielen strubbeligeren anderen Sorten. Und unter Beanspruchung (Härtetest: Kinderzimmer …) fusselt sie ganz gern ein bisschen, und die Tiere bekommen dann irgendwann lauter Wollmäuse im Pelz. Manche schwören auf Merino – ich tus nicht.
(Ergänzung nach dem Hinweis von Lutreolina crassicaudata: Merinowolle aus Patagonien klingt nach einer hervorragenden Alternative!)

Bergschaf: Meine Lieblingswolle (im Vlies, nicht im Kammzug). Rauer als Merino, etwas gröber strukturiert, filzt wunderbar schnell, ist griffig. Die fertigen Tiere sind wollmausfrei. Zu 90% sehr eklig: schwarze Wolle. Wolle sattschwarz zu färben erfordert wohl irgendwelche besonders aggressiven Verfahren, was weiß ich, jedenfalls ist die Wolle meist „angegriffener“ als bei anderen Farben, filzt schlechter – und die Farbe blutet nicht nur so aus wie bei den anderen Farben, also ins zunehmend buntere Wasser; schwarze Wolle neigt dazu, alles einzufärben. Die Hände. Das Handtuch. Helle Stellen im Tier (oder was auch immer man sonst filzt, wobei ich mich immer frage, wozu man irgendetwas anderes filzen sollte als Tiere). Brrr. Und bei Bergschaf ist es meist noch schlimmer als bei Merino. Doofdoof.
Na, egal, bis auf dieses kleine Detail mag ich Bergschaf sehr. Wer eins meiner Tiere adoptiert, hat also meist einen nicht allzu flauschigen, kernigen Gesellen in der Hand, der echt viel aushält.
Meine winzigen Mäuse sind aus Bergschaf, sie kann also auch feingliedrig und zierlich, wenn es drauf ankommt – Augen allerdings mache ich nie aus Bergschaf, das wird mir zu fusselig.

Kapmerino: Verwende ich nur in mikroskopisch winzigen Mengen, weshalb ich da auch ganz teure garantiert mulesingfreie nehmen kann (Ausnahme: Irgendwann werde ich meine restliche gelbe Kapmerino aufbrauchen, die ich mal in größerer Menge gekauft habe. Für Giraffen). Allermikroskopischste Mengen jedenfalls. Mäuseaugenskopisch. Ja, echt – sehr feine Details wie etwa die gefilzen Mäuseaugen mache ich mit Kapmerino. Wer das mal mit Bergschaf versucht hat, der weiß, weshalb – in so einem kleinen Maßstab wirken sie regelrecht borstig. Merino ginge auch, aber Kapmerino für ganz feine Details ist ein echter Geheimtipp. Man muss nur ein bisschen üben, sonst versenkt man einen ganzen Klumpen dieser spinnwebzarten Wolle im Handumdrehen komplett im Mäusekopf und guckt dumm aus der Wäsche.
Ergibt nassgefilzt die dichteste, feinste, weichste, flauschigste, wundervollste Textur der ganzen Welt. In eine gefilzte Decke aus Kapmerino würde ich bedenkenlos ein Neugeborenes einwickeln. Ich hatte mal einen kleinen Skunk aus Kapmerino, der sich sicher oft gewünscht hat, er wäre aus Bergschaf oder hätte Stinkdrüsen, denn ich hab ihn dauernd gekrault oder gedankenverloren schnurrend an meiner Wange gerieben. Nassgefilzte Kapmerino ist ganz dicht und fest und dabei kükenzart.
Indes: Beim Filzen (nass und trocken) nichtmikroskopischster Mengen Kapmerino erfindet man eine Milliarde neuer Flüche pro Stunde (und man verbringt viele Stunden damit, wenn man nicht irgendwann aufgibt). Selbst Mutter Teresa wäre dabei bestimmt ein „kackverdammtes Scheißdreckszeug“ über die Lippen gekommen. Ehrlich. Das Zeug schrumpft enorm zusammen, filzt blitzartig an (für Anfänger echt die Hölle, sie verzeiht keinen Fehler), aber dann geht es nicht weiter, und man walkt und walkt und walkt sich einen Wolf, ach was, ein ganzes RUDEL Wölfe, und dieses weiche Geflubber zwischen den Händen lacht einen aus, und man denkt, als ich damit angefangen habe, war ich noch so jung, und jetzt ist mein halbes Leben vorbei, und das Mistding, sorry, das entzückende kleine Geschöpf (das beim Filzen immer kleiner und kleiner wird, aber irgendwie nicht fester …) ist immer noch nicht fertig … argh!
Mikroskopisch kleine Mengen. Dabei dann absolut unschlagbar. Wunderwunderwunderschöne Wolle.

Gotland: Elefanten und Pinguine. Es gäbe ohne Gotlandwolle keine. Jedenfalls nicht bei mir. Jedenfalls nicht mit solchem Entzücken gefilzte. Von Natur aus grau, also ungefärbt (ungefärbte Wolle filzt allermeistens viel angenehmer und schneller als gefärbte, weil unbehandelt und nur behutsam entfettet und gewaschen), ist das eine sehr freundliche, entgegenkommende Wolle, die rasch anfilzt, rasch durchfilzt und sich dabei auf das Allerangenehmste verhält – sie ist griffig, riecht gut, ist hübsch und hält prima die Form. Ich nehme meist zu viel Seife (gefärbtes Bergschaf braucht etwas mehr als Gotland), aber selbst dann filzt sie tapfer weiter und verdichtet sich, statt zickig rumzuflutschen. Naturweißes Bergschaf und Gotland gehören zu den allernettesten, grundgütigsten Wollsorten, die ich kenne. Gotland ist allerdings meist ziemlich grannig, das heißt, am Ende hat man einiges an längeren, steiferen Grannenhaaren, die aus dem Viech herausstrubbeln. Ich mag das, weil ich es sympathisch und lustig finde. Will ich es aus irgendeinem Grund nicht, nehme ich Gotlandlammwolle. Alle Vorteile der normalen Gotlandwolle + weiches und glattes Ergebnis.

Und meine brandneue Lieblingswolle? Sie ist weich und schneeweiß und fluffig, ich habe nur eine Handvoll davon, und ich weiß nicht mehr, ob es Milchschaf ist (nicht nassfilzbar) oder Bergschaf oder Steinschaf. Der Kleine hat Wolle zum Spielen, und dieses Büschel hat es irgendwie in die Küche verschlagen, während wir Zimtplätzchen gebacken haben.
Diese Handvoll Wolle riecht warm nach Schaf und Zimt und Vanille und frischen Plätzchen, nach Küche und Kinderzimmer und frischer Wäsche und Weihnachten. Schnüffelwolle. Herrgott, ich habe beim Schreiben die ganze Zeit die Nase drin vergraben, ich überlege, sie mir ums Gesicht zu binden. Mir doch egal, wie doof das aussieht.
Wolle hält ganz ordentliche Temperaturen aus – ich werde demnächst mal testweise ein kleines Tier beim Plätzchenbacken mit in den Ofen stellen. Ich möchte ganz dringend ein duftiges Zimtferkel haben. Mal schauen, wie lange der Duft anhält. Und mal schauen, ob es überhaupt gutgeht – bitte drückt mir die Daumen, dass das Ferkel nicht inmitten der Zimtplätzchen in Flammen aufgeht oder so. Ich werde berichten!
(Ach, fast vergessen: Wer mulesingfreie Wolle sucht und sich für ungewöhnliche/alternative Wollsorten interessiert: Hier gibt es dazu eine großartige Seite: Klick)
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